Ein Essay: Ingrid Huch-Hallwachs

Chi­nas Sozialpunkte

Die Chi­ne­sen sind ein selt­sa­mes Volk. Damit es ihnen leich­ter fällt, sich an Regeln zu hal­ten ent­wi­ckel­ten ihre Staats­die­ner ein Punk­te-Sys­tem. Bei Rot über die Ampel gehen ist z.B. ein Minuspunkt.

Ist das ein Ver­such der Regie­rung ein Art Her­den­im­mu­ni­tät gegen Indi­vi­dua­lis­mus oder auch Ego­is­mus zu ent­wi­ckeln? Glaubt man den Bil­dern aus Chi­na im deut­schen Fern­se­hen, ist das gelun­gen. Sie ver­mit­teln den Ein­druck einer gro­ßen kon­for­men Men­schen­mas­se. Wir ahnen aber, dass sie durch­setzt von beein­dru­ckend wir­ken­den Rebel­len sind. Denn wir ken­nen Ai Wei­Wei. Der schaff­te es sogar dass das Münch­ner Haus der Kunst um dort sei­ne rie­si­gen Wur­zeln aus­stell­te. Star­ke Indi­vi­du­en wer­den in Chi­na anschei­nend nicht bewun­dert, son­dern leben gefähr­lich. Wir müs­sen Indi­vi­dua­li­tät ver­tei­di­gen. Wer dort gefähr­lich lebt erhält unse­re Wertschätzung.

Wären wir mit so einem Punkt­sys­tem auch schnell so gleich­för­mig und brav?

Was wäre wenn die Bevöl­ke­rung der gan­zen Welt eine Mas­se wäre? (Für einen Aus­ser­ir­di­schen sind wir das wahr­schein­lich schon.)

Alle die glei­chen Regeln, den glei­chen Weg zur Arbeit, die glei­chen Wer­te, das glei­che Belohnungssystem?

Es gibt doch trotz­dem noch Män­ner und Frau­en. Kann man deren Wer­te und Beloh­nungs­sys­te­me so gleich­schal­ten, dass sie funktionieren?

Lie­ber Heinz, wenn du jeden Tag die Küche auf­räumst, gesun­des und lecke­res Essen für alle kochst, bekommst du die Aner­ken­nung dei­ner Schwie­ger­mut­ter und zu Weih­nach­ten ein neu­es Kleid“ Funk­tio­niert das auch bei Sabi­ne? Wie ist das bei den Chinesen?

Las­sen sie den Frau­en den Vor­tritt beim „beim Rot über die Stras­se gehen“? „Bit­te nach Ihnen, mei­ne Dame“ und sie geht los und Peng, schon wie­der ein Minus­punkt auf ihrer Liste.

Kann das so eine Art Volks­sport wer­den? Ande­re zu ver­füh­ren bei Rot über die Ampel zu gehen? Wird man als Regime­geg­ner iden­ti­fi­ziert, weil man immer wie­der auf sol­che Tricks reinfällt?

Was könn­ten wir von den Chi­ne­sen lernen?

Wir könn­ten Wett­be­wer­be ver­an­stal­ten in denen wir Plus­punk­te und Pri­vi­le­gi­en gewinnen.

Aber natür­lich auf unse­re Art. Wir bil­den einen Gegen­pol. Bei uns wer­den die belohnt, die am schnells­ten auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te sind, die egal ob Rot oder Grün, not­falls auch über Lei­chen gehen.

Jeder Ver­mie­ter wür­de einem die­ser Gewin­ner sein Haus anver­trau­en, muss er aber nicht, denn ein Gewin­ner kauft sich Häuser.

Viel­leicht ist das bei den Chi­ne­sen auch so? Wer sind denn die, die die­sen Brav­sein-Wett­be­werb erfun­den haben?

Die Jungs und Mädels hin­ter den Kulissen?

Durch die­ses Brav­sein-Spiel ver­hin­dern sie natür­lich geschickt, dass die Chi­ne­sen schon von klein auf die wirk­li­chen, damit mei­ne ich unse­re, Regeln ler­nen. Die ler­nen anschei­nend dort Gleich-Sein.

Bei uns lernt jedes Kind Bes­ser-Sein. Gute Eltern wis­sen, dass es hilft, wenn man nach­hilft. Der, der schon in der Schu­le raus­fin­det, das sein Mobil­te­le­fon die Prü­fungs­fra­gen bes­ser beant­wor­tet und ver­steht das auch zu nut­zen, der lernt sozu­sa­gen ergeb­nis­ori­en­tiert und hat das Zeug zum Gewinner.

Gibt es noch was für uns brauch­BA­RES bei den Chinesen?

Las­sen wir die Geschäf­te bei­sei­te und gehen in die tie­fe Ver­gan­gen­heit, zurück zu den Wur­zeln, wie Ai Weiwei.

TAO ohne zu ant­wor­ten birgt es in sich die Ant­wort auf alles.

Viel­leicht las­sen wir es zu, dass uns das TAO inspi­riert. Nur ein biss­chen, so wie wir ein biss­chen Raum zwi­schen unse­rem Ein­at­men und Aus­at­men las­sen, wenn wir ent­spannt und ruhig sind.

Ingrid Huch-Hall­wachs