25.9.2019 Unser heutiges Ziel ist Namaqaland, wo sich jetzt im Frühjahr ein Blütenmeer ergießen soll. Doch leider stellen wir in Sprinbok fest, dass ein Reifen platt ist. Springbok ist ein kleiner Ort, aber nach Namibia bekomme ich fast einen Herzinfarkt, so viel ist hier los. Überall gibt es Geschäfte, Werbung, sofort ist jemand da, um uns zu helfen. Fast nur farbige Menschen sind auf der Straße und ich sorge mich wieder. Was werden diese Menschen mit unserem Auto machen?
Sie haben den kaputten Reifen in fünf Minuten gewechselt und verlangen dafür nur 50 Rand – 13 Euro. Um den kaputten Reifen wieder repariert zu bekommen, müssen wir aber um die Ecke zu einem anderen Geschäft fahren, das verlangt der Autovermieter. Dessen Besitzer diagnostiziert den Reifen als unreparierbar. Will er uns einen neuen Reifen andrehen? Ich sorge mich wieder. Doch Thomas lässt den Besitzer mit dem Autovermieter diskutieren – und wir machen uns auf, um eine Internet- und Telefonkarte für Südafrika zu besorgen. Wir werden in eine Art Kaufhof geschickt. Das Angebot in dem hellen, klimatisierten Geschäft überfordert mich: – mussten wir in Namibia maximal zwischen zwei ähnlichen Angeboten entscheiden, stehen hier von ein und der selben Sache mindestens fünf Angebote: Coke Zero, Coke-Sugar, Coke Ligh Coke Energy … Was für ein Entscheidungsstress! Immerhin können wir uns auf MTN als Netz-Provider einigen. Kurze Zeit später ist unser Auto auch schon wieder repariert. Allerdings, wo ist eine Radkappe geblieben? Beim Reifenwechsel? In der Shoppingmall, wo zwei Jungen auf unser Auto “aufpassten”? Bei der Reifenreparatur? Wir haben keine Zeit, uns darum zu kümmern, denn der Nationalpark, uns heutiges Übernachtungsziel, schließt gleich.
26.9.2019 Mit drei Campern ist der übersichtliche Campingplatz für unseren Geschmack nahezu voll. Und tatsächlich treffen sich alle auf einer der fünf Wanderungen durch den Nationalpark wieder. An engen Stellen gibt es deshalb schon mal einen Stau. Wie seltsam. In diesem Land müssen wir in der Natur anstehen? Die zwei jungen deutschen Frauen sind ebenfalls schockiert. In Namibia hatten sie zwei Wochen keine anderen Touristen getroffen – und jetzt gleich 7 auf einen Streich!
Leider gibt es wider Erwarten kaum Blumen. Auch Namaqualand, wie ganz Südafrika, leidet unter einer ungewöhnlichen Trockenheit. So ist es hier zwar ein bisschen grüner als in Namibia, doch weit entfernt von bunt, wie die Postkarten suggeriert hatten. Wir fahren weiter Richtung Süden, wo es von Kilometer zu Kilometer grüner wird. Wir übernachten in der Highlander Campsite, einem winzigen Weingut, ganz in der Nähe eines fließenden Flusses! Hier in der Gegend werden all die saftigen Zitrusfrüchte kultiviert, die als “Kap-Orangen” auf dem Viktualienmarkt landen.
27.9.2019 Es geht weiter nach Clanwilliam und von dort in die Cedermountains, die Zedernberge. Ein spannender Aufstieg zu einem Wasserfall wartet auf uns. Die Sonne brennt vom Himmel – und ich klappe bei dem einstündigen Marsch beinahe zusammen. Wie ich wohl auf den Baviaans Camino überstehen werde? Hier 230 Kilometer vor Kapstadt wird es immer grüner. Es gibt sogar Flüsse und Kühe! Noch knapp zwei Stunden und wir erreichen Stellenbosch und unsere Freunde – eine ganz neue Welt wartet auf uns!
28.9.2019 Wir genießen das Zusammensein mit unseren Freunden, den Luxus eines Hauses und legen eine Reisepause ein. Am Abend feiern wir diverse Geburtstage auf Jourdans Weingut nach. Uns empfängt eine unglaubliche Aussicht – als läge uns ganz Stellenbosch zu Füßen – ein Wein, bei dem auf Sulfurzusatz verzichtet wird und ein Festessen, das von einem Spitzenkoch vor unseren Augen zubereitet wird. Die konzentrierte Arbeitsfreude der jungen Souköche kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ausschließlich Hellhäutige an de Tischen sitzen und den Luxus des Müßiggangs genießen, während Dunkelhäutige in Küche und Service zu sehen sind. Dass die kapitalistische Art der Rassentrennung die Regel und nicht die Ausnahme im Western Cape ist, werden wir in den kommenden Tagen lernen.
29.10.2019 Wir besuchen das hübsche, koloniale Zentrum Stellenboschs. Durch den Besuch des Stadt-Museums erfahren wir viel über die Brutalität der Sklavenzeit – und bemerken, dass viele Sklaven-Gesetze in den Zeiten der Apartheid wiederbelebt wurden. Einzige Ausnahme: Damals war Liebe und Ehe zwischen den Rassen akzeptiert – es gab ja so gut wie keine unverheiratete weiße Frau.
30.9.2019 Wir genießen den touristischen Müßiggang, wandern auf den Stellenbosch Mountain, lernen den Fynbosch kennen, dessen Artenvielfalt Botanikerherzen höher schlagen lässt. Wir erfreuen uns an den großen, ausdrucksvollen Blüten der Protea, die ein bisschen wie Ananas-Zapfen aussehen und bei uns so manchen exotischen Blumenstrauß zieren. Wir finden genial angelegte Mountainbikestrecken – erkennen, dass viele Südafrikaner wirklich sehr sportlich sind.
1.10.2019 Wir fahren nach Kapstadt und besuchen ein soziales Projekt, das von unserem örtlichen Gymnasium unterstützt wird. Hier ein Bericht über Youth solutions Africa. Danach besuchen wir die Festung, von der aus die Kolonisierung Südafrikas stattgefunden hat.
2.10.2019 Wir lernen die Stellenbosch Universität kennen. Meine Freundin nimmt mich mit zu ihrem Seminar. :))) Wie schön! Einst hatte ich mit ihr die Unibank geteilt, jetzt ist sie meine Dozentin! Den Teilnehmer*innen gefällt das Seminar – und ich lerne viel über Stilmittel im modernen Film. Anschließend gibt es für alle eine Führung über das helle, freundliche Unigelände. Dennoch. Auch hier wurden die Schatten der Vergangenheit nur schnell übertüncht. Diese Gebäude dienten einst als Kaderschmiede für die Vordenker der Apartheidspolitik. Danach ein Besuch in Stellenboschs botanischem Garten – ein kleines Juwel für die Studenten! Man kann hier sehen, fühlen, riechen, dass die Gegend extrem fruchtbar ist. Auch der wachsende Einfluss Chinas – nicht nur auf Südafrika – zeigt sich hier im Kleinen: Es gibt eine große Bonsai-Abteilung im Botanischen Garten. Alle Bonsais sind sogar heimische Bäume! An der Universität wird neben Deutsch auch Chinesisch als moderne foreign language angeboten, deren Beherrschung für einen guten Abschluss notwendig ist. Der Chinesisch-Bereich ist im Gegensatz zum deutschen Bereich, bestens ausgestattet, berichtet meine Freundin.
3.10.2019 Heute besuchen wir eine der Höhepunkte des sogenannten Western Capes, des Bereichs rund um Kapstadt, der zuallererst besiedelt wurde. Wir fahren durch die Kaphalbinsel zum Kap der Guten Hoffnung. Uns begegnen Menschen leere Strände, kaltes Wasser – sehr erfrischend zum Baden – jede Menge Surfer und die erste Pinguinkolonie. In der Nähe des Kaps warten Paviane mit Babies auf den parkenden Autos. Ob doch vielleicht etwas für uns abfällt? Doch die Touristen sind gewarnt. Paviane können aggressive Plagegeister werden. Die Wanderung vom Parkplatz am Cape Point zum Fototermin am Kap der guten Hoffnung ist schwieriger und dauert länger als gedacht. Dafür ist sie wirklich abwechslungsreich mit vielen tollen Aussichten auf das tosende Meer. An der Olifants Bay sichten wir Antilopen und Straußenkinder. Auf dem Rückweg über den Chapman‘s Drive sitze ich am Steuer. Meine Männer können die atemberaubende Sicht auf einsame Buchten und schäumende Wellenkronen leider nicht genießen, zu sehr sind sie damit beschäftigt, die engen Kurven mitzufahren und aufzupassen, wann mir wieder ein lebensmüder Mountainbiker frontal entgegenrast.
4.10. Thomas und ich fahren allein nach Kapstadt, um mir eine Reithose einzukaufen. Die werde ich auf dem Baviaans Camino brauchen. Es geht schneller als gedacht, denn die angebotene Hose ist kräftig reduziert und passt. Wir fahren also noch zur neu errichteten Waterfront und besuchen das Zeitz-Mocca – das Museum für afrikanische Gegenwartskunst. Allein das Gebäude ist einen Besuch wert. Es zeigt die gelungene Umwidmung eines Industriebaus (Kornsilos) in einen Repräsentationsbau mit vielen überraschenden Durchsichten. Gerade läuft eine Ausstellung der Werke von William Kentridge, der sich in Videos, Zeichnungen, Wandteppichen und Installationen mit der Ungerechtigkeit, den Auswirkungen der kolonialen Vergangenheit auf die heutige Gesellschaft und mit den inneren Maßstäben unseres weißen Denkens auseinandersetzt.
Den Abend verbringen wir wieder in Stellenbosch beim Winetasting mit den Freunden. Diesmal sind wir auf dem privaten Weingut des deutschen Strumpfherstellers Peter Falke. Hier wirkt alles intimer, aber ebenfalls schön angelegt, wie Jourdans. Ich lerne, dass Peter Falke nicht der einzige deutsche Unternehmer ist, der ein Weingut in Stellenbosch sein eigen nennt. Weingüter sind hier übrigens viel, viel größer als in Deutschland. Trotzdem bleibt der gute Wein im Land – der Rest geht nach Deutschland und den Rest der Welt.
5.10.2019 Heute besuchen wir Kapstadts berühmten Botanischen Garten „Kirstenbosch“. Nicht nur die Fülle der blühenden Pflanzen gefällt uns, sondern die vielen kleinen Themengärten und Wege. So lernen wir in kurzer Zeit viel über die heimischen Pflanzen, was uns auf der Wanderung einen großen Vorteil einbringen wird. Allerdings wollen wir nicht allzu viel Zeit in diesem kleinen Paradies verbringen, das auch von vielen Südafrikanern jeglicher Hautfarbe geschätzt wird, unser eigentliches Ziel ist der Gipfel des Tafelbergs. Wir durchqueren also den Botanischen Garten und wandern mit vielen anderen jungen Menschen einen Wasserfall hinauf. Es gibt zwar manchmal kleine Staus, dafür gluckert es überall und wir wandern im Schatten. Oben auf dem Plateau angekommen, eröffnet sich ein so wunderbares Rundumpanorama, dass wir die Anstrengung nicht mehr wahrnehmen. Zudem weht beständig ein kühler Wind. Wir hatten schlossen, die Bahn zurückzunehmen, weil sie ebenfalls unglaubliche Blicke verspricht. Was wir allerdings nicht wissen: ausgerechnet an dem Tag feiert die Bahn ihren 90. Geburtstag, Wir stehen also so lange an, dass wir längst unten gewesen wären, wären wir zu Fuß gegangen, oder hätten wir uns abgeseilt, wie es dort angepriesen ist. Die Abfahrt ist trotzdem ein unvergessliches Erlebnis, weil sich die Kabine während der Fahrt um 360 Grad dreht. So sitzt jeder einmal in der ersten Reihe. Auf unser Rückfahrt zum Kirstenbosch mit dem Uber-Taxi stelle ich fest, dass Kapstadt viel, sehr grüne, schöne und reiche Ecken hat. In einem persischen Restaurant in Stellenbosch feiern wir den bevorstehenden Abschied – und zum ersten und letzten Mal im Western Cape sehe ich, dass Weiße und Dunkelhäutige gemeinsam im Service arbeiten.
6.10.2019 Die stillen Tage in Stellenbosch neigen sich ihrem Ende zu. Meine Freundin und ich unternehmen einen letzten Spaziergang ins Grüne, dann holen Thomas und ich unser neues Gefährt ab, einen Toyota Corolla – ohne Dachzelt. Später fahren wir mit der Fähre nach Robben Island, wo unter vielen anderen politischen Gefangenen des Apartheidregimes auch Nelson Mandela im Steinbruch arbeiten musste. Ein ehemaliger Insasse führt uns. Noch immer zittert er, wenn er von den drakonischen Strafen für – beispielsweise vergessene Ausweise – erzählen muss. Anhand seines Stotterns und Zögerns erahne ich, wie traumatisierend das Gefängnis gewesen sein muss, weil das Regime, das erst lange nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation beendet wurde, jegliche Solidarisierung der Nicht-Weißen zu verhindern suchte. Ganz nach dem Motto teile und herrsche, hatte jede noch so kleine Bevölkerungsschicht ihre eigenen Verpflichtungen und Schein-Privilegien. So auch die Gefangenen: Robert Sobukwe lebte auf Robben Island in einem eigenen Haus und durfte Zeitungen lesen und auch Radio hören. Dafür war ihm jeglicher Kontakt zu anderen Menschen – außer seinen Bewachern verboten.
Nelson Mandela konnte hingegen mit ein paar Mithäftlingen sowie einmal mit einem Journalisten sprechen. Dafür waren alle von Informationsquellen abgeschnitten und durften nur alle sechs Monate Besuch von der engsten Familie empfangen. Diese Gespräche wurden dann selbstverständlich mitgehört und mussten deshalb auf einer Weißen-Sprache geführt werden.
Im Gefängnis sind Infotafeln aufgestellt. Doch leider reicht die Zeit nicht, auch nur ein paar von ihnen zu studieren. Zudem lief während der Überfahrt zur Insel statt Infos über die Apartheid und den Kampf gegen sie, ein Film, der alle teuren touristischen Highlights Südafrikas zeigte. Die Besatzung begrüßte uns dann noch mit einem „Enjoy the trip“. So fällt unser Gesamt-Urteil beim Abschiedsessen in einem leckeren persischen Restaurant in Stellenbosch doch eher verhalten aus.
7.10. 2019 Wir packen das Auto, verabschieden uns traurig von unseren Freunden und bringen Julian zum Flughafen. In Kapstadt schlendern wir noch durch die Waterfront, dann fahren wir zur Betty‘s Bay, um uns dort über die watschelnden Pinguine, die sich gerne unter Autos verstecken, zu amüsieren.
In Hermanos wundere ich mich über die Sauberkeit und Ordnung im wirklich preiswerten Backpackers. Es gibt sogar ein Abendessen, zubereitet vom Chef. Leider läuft das Gespräch etwas aus dem Ruder. Alle, die nicht für die Apartheid sind, seien nichts als Kommunisten. Ich wage es nicht, den Angetrunkenen offen zu widersprechen und werde mich später sicher dafür schämen.
8.10. 2019 Wegen einer Sturmwarnung fallen alle Bootsausflüge aus. Wir schlendern deshalb den langen Weg um die Bay entlang und bewundern das aufgewühlte, glitzernde Meer. Nebenbei lesen wir die Infotafeln, sichten eine Walmutter mit Kind und beobachten eine Robbe beim Spielen.
9. – 14.10.2019 Swellendam, Oudtshoorn, Olifantsrivier
14. – 21.10.2019 Die Wanderung bzw. Ritt durch den Baviaanskloof. Das müsst ihr euch persönlich von uns erzählen lassen. Oder selbst machen. Siehe http://www.baviaanscamino.com/
22.10.2019 Heute beginnen die Reitstunden bei Hercules. Wir verbringen nur kurze Zeit im Stall – schon wird das frisch Gelernte (Trab und Galopp) im Gelände ausprobiert. Es geht über Stock und Stein- und nachts – nach dem superleckeren und sehr, sehr fleischlastigen Abendessen von Annieka wartet ein Nachtritt auf uns.
23.10.2019 Reitstunde am Strand. Die Pferde wollten von selber traben oder galoppieren. Fotos schießen, ging aber nur im Schritt. Danach Umzug zur Cape Sant Francis Ressort, von wo morgen die viertägige Chokka-Trail-Wanderung mit Eric und Esti Steward starten wird.
24.10.2019 Erster Tag des Chokka-Trails. 22 km entlang der Küste, in Begleitung von drei süßen und aufmerksamen Hunden. Am Ende nehmen wir unser erstes Bad im Indischen Ozean.
25.10.2019 Zweiter Tag des “Chokka-Trails”. Es geht landeinwärts über hohe Sanddünen – vorbei an Fundstätten der Khoi-San, einer Bevölkerungsgruppe, die die Ankunft der Weißen und die damit einhergehende drastische Lebensveränderung leider meist nicht überlebt haben und inzwischen in Südafrika nahezu ausgerottetet sind. Übernachtunig g in the Dune Ridge, einem ehrwürdigen Country House, das zufälligerweise heute ein Weintasting anbietet. Lecker!
26.10.2019 Dritter Tag des Chokkatrails. Die Südafrikaner spinnen – die hier übliche Wandergeschwindigkeit ist 6 km/h. Ich/wir müssen immer wieder rennen, um nicht fürchterlich hinten dran zu hängen. Dafür gehe ich wie unser Guide Frikki seit zwei Tagen fast nur barfuß. Das trainiert. Müde wie ich nach den 14 km Düne auf und ab bin, würde ich mich am liebsten weiter in der heißen Badewanne des St. Francis Resort, einer schönen Feriensiedlung, in der auch ein paar farbige Familien ihren Urlaub verbringen, aalen. Doch die Höhepunkte weiter: eine Bootsfahrt durch die “Canals”,
Es handelt sich um eine künstliche Kanallandschaft an deren Seiten sich eine Nobelhütte an die andere reiht. Wir sitzen im Boot, leeren eine Flasche Sauvignon Blanc und lästern mit den anderen sechs Teilnehmer*innen des Chokkatrails über die Häuser der Superreichen.
Ein solches Sightseeing scheint üblich zu sein. Es fahren mehrere Boote mit feiernden Menschen durch die Kanäle, während denjenigen, die in den riesigen Glashäusern sitzen, nichts anderes übrig bleibt, als leutselig zu winken. Auch wenn es toll war, einen Blick auf das ehemalige Anwesen von Angelina Jolie und Brad Pitt zu werfen, so bin ich jetzt doch froh, zurück in dem schönen Ferien-Resort auf meinen Tintenfisch zu warten.
27.10.2019 Vierter und letzter Tag des Chokkatrails. Wir eilen an der Küste entlang, zum St. Francis Harbour. Dort erwartet uns nicht nur eine Informationsveranstaltung zum Tintenfisch in Südafrika – die leckeren Kopffüßler werden im Akkord per Hand gefangen und schon auf See für den Export nach Europa tiefgefroren – sondern auch das Rugby-Halbfinale Südafrika gegen Wales. Nach dem Sieg Südafrikas beenden wir, frisch gestärkt, gemeinsam den Chokka-Trail. Thomas und ich werden nun weiter in ein B&B in den Canals gebracht, wo wir Sonnenbaden, Kanu durch die Kanäle fahren und beim gemeinsamen Abendessen mit allen Gästen bemerken, dass auch nette Menschen in den Canals leben können.
28.10.2019 Morgens werden wir von Eric zur Jeffreys Bay gebracht, wo schon ein neuer Toyota Corolla auf uns wartet. Thomas hat uns eine Unterkunft im Addos Elephant Park gebucht, wo wir – hoffentlich – die letzte Tierart der Big Five, den Wasserbüffel sichten werden. Glücklicherweise konnte er die letzte Unterkunft in dem Parkteil, in dem sich die meisten Büffel aufhalten, ergattern. Wir kommen zu früh an – und fahren noch ein bisschen durch den Park, der durch die Regenschauer viel an Dramatik gewinnt. Wir sehen einen Elephanten, besondere Zebras, Kudus und jede Menge – aber auch viele Vögel. Endlich ist es Zeit, dass wir in den neuen Parkteil fahren, der für die gebuchten Gäste reserviert ist.
Tatsächlich ist es ein völlig getrennter Teil, der sich jetzt für uns öffnet. Die Einsamkeit ist sofort heilsam. Und so holpern wir langsam auf unsere neue Unterkunft zu. Ich bin immer mehr gespannt. Meine hohen Erwartungen werden übertroffen: Ein riesiges Bett befindet sich in einem traditionellen Rundbau mit dem hohen Reetdach. Hinter dem Bett befindet sich eine Bareckr und dahinter versteckt, die Küche. Vor dem Bett gibt es eine dezente Sitzecke und auf der anderen Seite einen Esstisch – alles im edelsten afrikanischen Stil gehalten. Dahinter eröffnet sich eine bodentiefe Fensterfront, die den Blick auf einen kleinen Balkon mit einer weiteren Sitzecke und privatem Pool frei gibt. Dahinter erstrecken sich bewaldete Berge und ein lang gestrecktes Gras bewachsenes Tal, auf dem erst Warzenschweine, später Antilopen und noch später die Wasserbüffel weiden. Safari vom Bett aus – was gibt es Besseres?
29.10. 2019 Wir genießen unser kleines Paradies – und checken erst um 10:00 aus. Dafür fahren wir etwas schneller durch den Park – und halten nur noch nach Löwen und Dungkäfer Ausschau. Die spielenden Löwen haben wir verpasst – dafür fanden wir die Käfer und fahren fast mitten in einen grasenden, einsamen Wasserbüffel. Es wird schon spät – und nachdem die Unterkünfte im Naturreservat am Meer ausgebucht sind, entscheiden wir uns für Hamburg als nächste Station. Thomas will in der Gegend bleiben, die einst ein selbst verwaltetes Homeland für Khosa war. Der Reiseführer hatte sich verhalten über diesen Landstrich geäußert, aber die Strände gelobt. Es gab drei Empfehlungen – zwei Luxushotels und ein Backpackers – in einer kleinen Siedlung, die Hamburg genannt wird. Es gibt dort kein Wlan, keine Tankstelle, kein Lebensmittelgeschäft, kein Restaurant, warnt uns die Besitzerin vor. Wir fahren trotzdem – mit viel Essen und nicht allzu viel Bargeld – man kann ja nie wissen.
Inzwischen weiß ich, dass die Ciskei bereits überweidet war, bevor Khosa ab 1945 dorthin zwangsumgesiedelt wurden.
Die Gegend wirkt auf den ersten Blick romantisch, mit vielen Hügeln und Tälern, mit Weideflächen und einfachen, aber sauberen Steinhäusern – manchmal in der traditionellen Rundbauweise. Leider ist das Gras schon lange braun – und die vielen, frei lebenden Rinder rupfen das verbliebene Braun bis zur Erdkrume ab. Die Menschen wirken entspannt und als wir Richtung Meer abbiegen, nimmt Thomas eine Tramperin mit, die uns fröhlich ihre Lebensgeschichte erzählt. Schockiert sind wir allerdings, als wir nach einer längeren Fahrt über Schlaglöcher an einer beeindruckenden Flussmündung entlang, in einem windigen Platz ankommen, der offensichtlich außer uns nur noch einen Gast beherbergt: Hamburg Backpackers.
Die muntere Gastgeberin eröffnet uns auch gleich, dass wir wegen der großen Trockenheit auf Duschen und Wäsche waschen möglichst verzichten sollten. Sofort sehne ich mich in mein gestriges Paradies zurück, in dessen runder Badewanne ich jetzt liebend gerne entspannen würde. Das gute Essen, das Thomas mir kocht, tröstet mich ein wenig über die Enttäuschung hinweg, hier nach stundenlanger Fahrt in einem absoluten Niemandsland gestrandet zu sein. Ich bemerke, dass ich mich noch immer unsicher in einer schwarzen Umgebung fühle, auch wenn unsere Gastgeberin versichert, dass wir überall hin ohne Gefahr spazieren könnten. Mich beunruhigt auch das Fehlen jeglicher touristischer Infrastruktur, die ich von Europa so gewöhnt bin. Wohin sollen wir gehen? Einfach so am Fluss entlang gehen? Was ist, wenn ich Durst habe? Was ist, wenn ich mich gerne in ein Cafe setzen würde und meinen täglichen Bericht schreiben?
Als ich vorsichtig meine Enttäuschung über die fehlenden Gäste und die fehlenden Attraktionen ausdrücke, freut sich unsere Gastgeberin sogar:– ja hier sei es “nice” und “quiet”. Das liebten ihre Gäste. Im Dezember sei sie deshalb sogar ausgebucht! Nice und quiet. Ich finde das doof – auch wenn mein Abend mithilfe des Scrabblespiels doch ganz nett wird. Das muffige Zimmer und der schreckliche Weichspülergeruch der leicht modrigen Bettwäsche lässt mich trotzdem in Selbstmitleid zerfließen.
30.10.2019 Der zweite Tag in Hamburg versöhnt uns mit unserer Entscheidung, uns mal abseits der touristischen Highlights zu bewegen. Strahlender Sonnenschein und Windstille lockt uns schon vor dem Frühstück zum Strand, der Kilometer weit nichts als schäumende See, weichen Sand und Sanddünen zu bieten hat. Ein Mann reinigt die Umkleidekabinen, große, aber schlecht, weil selbst für mich zu hoch, platzierte Schilder weisen auf die Naturschönheiten am Strand hin – und dass er das blaue Umweltsiegel erhalten habe. Wie auch nicht, denke ich genervt, wenn sowieso niemand da ist? Doch tatsächlich begegnet uns ein Hundebesitzer und ein einsamer Angler bei unserem Morgenspaziergang. Thomas findet einige Glasscherben. Meine Plastikausbeute ist hingegen gering.
Später gehen wir zum Baden an den Strand – die hohen Wellen und deren Sogkraft lassen mich aber vorsichtig sein. Immer wieder werden wir nämlich vor den sogenannten Rip currents, die einen unvermutet ins Meer hineinziehen, gewarnt. Nach dem Lunch entscheiden wir uns wegen der steifen Brise für die Landseite und erkunden den Ort und die lokalen Kunstprojekte. Hier war sogar jemand auf der Documenta in Kassel und die hier hergestellten Kopfkissen, Bilderteppiche und Taschen werden bis nach Kanada verkauft. Die Dorfbevölkerung grüßt uns freundlich und entspannt. Wir genießen die Reste der alten Stammeskultur. Nirgendwo gibt es Zäune. Überall grasen Kühe, watscheln Gänse und bellen Hunde.
31.10.2019 Die Putzfrau des Backpackers ist ehrlich traurig, dass wir schon abfahren. Viele würden sie gar nicht wahrnehmen, klagt sie. Mir hingegen konnte sie viel über ihr Leben, ihre Kinder und ihren Mann zählen und dabei auch lachen über ihren “faulen” Mann und die vielen Tiere bei ihnen zu hause. Das hat mich auf meine Frage gebracht – ich hätte sie nicht stellen sollen. „Werden die Tiere hier zu Verzehr oder Verkauf gehalten“, frage ich die Managerin. Sie schüttelt traurig den Kopf: Nein, die Tiere sind Statussymbole. Nur für Hochzeiten oder andere große Feste, wird ein Tier geschlachtet. Sonst nicht. „Aber das Land ist doch bereits abgegrast?” „Ja und dann kommen sie zu mir und wollen, dass ich ihren Tiere eine Spritze mit stärkenden Kräutern gebe. Aber ich versuchte sie zu überzeugen, dass es für die Tiere besser ist, wenn sie verkauft werden – hier gibt es nicht mehr genug zu essen und zu trinken.“
Unsere Gastgeberin ist besorgt. Sie lebt schon lange in der Ciskei und fühlt sich hier wohl und sicher – aber ihre Bemühungen, um bestimmte Veränderungen blieben bislang ohne Erfolg. Die tradierten Werte sind stark und die Macht der Frauen gering. Die Trockenheit der letzten Jahre ist zudem eine neue Herausforderung, der sich Südafrika stellen muss, denn die Wetterveränderung beschleunigt sich mit der Abholzen der heimischen Bäume.
Mir bricht es fast das Herz als wir jetzt nun weiter Richtung Coffee Bay in der Transkei fahren. Das ehemalige Homeland ist noch dichter besiedelt, die Krume noch trockener, die Städte wuselige. Selbst an der Straße Richtung Meer drängt sich ein Dorf ans andere. Die Geschäfte bestehen aus dunklen Räumen, in denen Alkohol und ein paar Lebensmittel verkauft werden. Überall laufen Schulkinder und Tiere über die Straßen. Schlaglöcher lauern darauf, den nächsten Reifen und Karosserie zu verschlingen. Jedes Dorf hat eine Klinik. Wir schließen daraus, dass wir in dem Gebiet gelandet sind, in dem sich jeder zweite am HIV-Virus angesteckt hat. Die Regierung verteilt zwar die Aidsmedikamente kostenlos, sodass ein längeres Leben der Betroffenen gesichert ist, doch die Lebensaussichten der Betroffenen werden dadurch nicht viel rosiger. Steve Biko, ein südafrikanischer Bürgerrechtler und Initiator der “Black-is-beautiful-Bewegung” hat übrigens den Grundstock für die medizinische Grundversorgung der Farbigen gelegt.
Anmerkung: Wie ich jetzt weiß, liegt die Landwirtschaft aufgrund der zu intensiven Landwirtschaft (das meiste geht nach Europa) auf ehemaligen Urwaldböden in den meisten Teilen Südafrikas darnieder. Die Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Probleme sind daher überall ein riesiges Problem.
Endlich landen wir in der Coffee Bay, die von allen, die wir gesprochen haben, als „wunderschön“ und vom Reiseführer als Hippie-Paradies bezeichnet wird. Hier erwarte ich das pralle Leben, mit Bars, lauter Musik, netten Geschäften und einem aktiven Strandleben. Doch Pustekuchen. Es gibt weder ein Zentrum, noch ein Strandleben, weil der Regen alle Menschen von den Straßen vertrieben hat. Leider sind auch recht keine hübschen Shopping-Läden zu sehen. Allerhöchstens sind Hostel-Namen und ein paar Zeichen auf eine Wand gepinselt. Dunkle Alkoholverkaufsstellen gibt es hingegen genügend.
Nach einer halben Stunde abenteuerlicher Fahrt von Hügel zu Hügel sind wir endlich in unserem „Ressort“ angekommen. Es wäre tatsächlich ganz nett – Stroh gedeckte Rundhütten und Bungalow mit Terrasse und Grillplatz, sowie ein Pool und Kinderspielplatz – schiene die Sonne und könne man gemütlich auf der Terrasse sitzen und mit einem Gin Tonic in der Hand auf die wilde Bucht starren, die der Gegend ihren Namen gegeben hat: Wild Coast – schwarze Riffs, üppiges Grün, Kaffeesträucher und schäumendes Meer. Doch so verziehen wir uns frierend ins Bett und schreiben, bzw. planen die nächsten Stopps bis Johannesburg, wo wir die Freunde wiedertreffen werden.
01.11.2019 Regen lässt das quasi verlassene Ressort in seiner rustikalen Bauweise und den muffigen Laken noch trister erscheinen. Wir gehen frühstücken, genießen das WiFi und lassen uns dann von Einheimischen, die am Strand auf Touristen warten, zum Hole in the Wall führen, obwohl der Weg breit und leicht erkennbar gewesen wäre. Wir wollen Eigeninitiative fördern und hoffen, dass wir so unangenehmen Zusammenstößen entgehen können. Die Landschaft ist wunderschön, grüne verwunschene Bäume und Kaffeesträucher kontrastieren mit riesigen schwarzen Felsen und weißen Schaumkronen. Die jungen Männer bieten uns weitere Touren an, auf die wir aber keine Lust haben.
Als wir also zurück beim Ressort sind, verlangen sie 300 Rand – und erhalten schließlich mit 100 Rand doppelt so viel als wir ausgeben wollten. Den Rest des Tages verbringen wir damit, diesen unschönen Zusammenstoß zu verdauen. Jetzt denke ich, dass er mit einer klaren Absprache vorab verhinderbar gewesen wäre. Die jungen Leute hatten wohl auf gutes Trinkgeld gehofft, weil der Regentag keinen weiteren Kunden vorbeispülen würde. Wir jedoch hatten wohl gehofft als großzügige Spender die Füße geküsst zu bekommen.
02.11.2019 In unserem Ressort sind über Nacht wunderliche Dinge passiert. Die gesamte Belegschaft ist in feierliches Weiß gekleidet. Berge frischer Wäsche wird auf dem Kopf balanciert. Die Männer werfen den Frauen Scherzworte zu und schwenken Rohrzangen oder anderes Werkzeug. Die Fenster der Apartments glänzen plötzlich im Sonnenlicht. Leise Musik ist zu hören. Eine farbige Familie bezieht ihr Apartment. Die Frauen sind, wie fast überall sehr hübsch hergerichtet, die Männer manchmal ein bisschen gangstermäßig, Ihre Kinder hingegen sind so schlank und unauffällig, wie alle anderen Kinder, die ich auf der Straße sehe. Freude vibriert in der Luft als weitere aufgeregte farbige Familien eintreffen. Auch ältere weiße Pärchen schlurfen auf die Terrasse – sie wollen sich das Rugby-Final-Spiel ansehen. Am Strand vor dem Ressort breiten Frauen ihren Schmuck aus Kaffeebohnen zum Kauf aus. Wir kaufen bei jeder Dame eine kleine Kette. Ein Mann, der gleich als Vermittler aufgetreten ist, bietet seine Dienste als Fischer an und will uns einen Fisch nach dem Spiel vorbeibringen.
Das Spiel beginnt mit einer rein weißer Zuschauerschaft. Ich fühle mich deshalb unangenehm ans Western Cape erinnern. Die farbigen Angestellten verteilen Shots und Leckereien auf Kosten des Hauses. Das Spiel ist spannend und nach und nach stoßen auch ein paar der dunkelhäutige Gäste zu uns. Obwohl Rugby der Sport der Weißen war, feiern heute alle den Sieg und beklatschen die wohl bedachten Worte des schwarzen Kapitäns Siya Kolisi, der aus einem Township kommt. Nach dem Spiel sehen wir, dass viele Schwarze das Spiel am Pool verfolgt haben. Warum? Wegen der Kinder? Weil das Ressort voll ist, ziehen in die Coffee Bay zum Sugarloaf Backpackers um.
Dort wundern wir uns über die vielen schwarzen Mütter mit ihren Kindern, die eine Riesenfreude am Schwimmen im Fluss und beim Spielen in den Wellen zeigen. „Müssen die nicht arbeiten?“ „Seit wann können Schwarze schwimmen ?“ Ich sehe, dass viele sogar wunderbar surfen können. Trotzdem ertappe ich mich bei solchen und ähnlichen Gedanken, die wie selbstverständlich von der vollkommenen Überlegenheit der weißen Haut ausgehen. Dabei konnte der Häuptling, der in Kapstadt das Sagen hatte, als die ersten Siedler aus den Niederlanden ankamen, sogar ein paar Brocken Holländisch – und es ist nachgewiesen, dass es lange vor der Ankunft der weißen Siedler in Südafrika eine Hochkultur geherrscht hat. Doch das vergessen unsere Geschichtsbücher gerne. Gott sei Dank ist unser weißer Gastgeber in der Coffee Bay aufgewachsen. Seine Begeisterung und Liebe zur Transkei ist ansteckend.
03.11.2019 Wir gehen ein Stück des Transkei-Weitwanderwegs, dessen beliebtester Streckenabschnitt zwischen Coffee Bay und Port St. Johns liegt. Er führt nah an der Küstenlinie entlang und führt steil in die Klippen herunter. Die Menschen, denen wir begegnen, schauen neugierig und verwundert – aber immer freundlich. Doch der Weg ist so abenteuerlich, dass wir uns fragen, wie man ihn mit einem großen Rucksack bewältigen kann. Dennoch würde er mich wirklich reizen.
04.11.2019 Entgegen dem Wetterbericht regnet es nicht. So wird die Fahrt von der Coffee Bay (Transkei) nach Uzumbe (KwaZuluNatal, kurz KZN) deutlich angenehmer. Auch wenn Uzumbe nur wenige Kilometer die Küste aufwärts liegt, empfiehlt uns Google die Fahrt über die Schnellstraße N2 im Landesinnere. So fahren wir die lange Strecke, die wir nach Coffee Bay gefahren sind, wieder zurück – und wir stellen überrascht fest: einige Schlaglöcher wurden aufgefüllt. Inzwischen haben wir uns auch ein wenig an die vielen Menschen in den Städtchen gewöhnt und sehen auch die trockene, überweidete Landschaft gelassener. Wir trauen uns sogar Tramperinnen mitzunehmen.
Die als megagefährlich beschriebene Stadt Mthatha stellt sich als ruhige, angenehme Studentenstadt mit einem sehr informativen Nelson Mandela Museum heraus. Dennoch – als wir die Grenze zu KZN überfahren, verschwinden die Tiere aus dem Straßenbild, Zäune gibt es wieder und Bäume – Eukalyptusbäume für die südafrikanische Papierproduktion. Es wirkt viel europäischer, was mir gut gefällt. Es wird auch immer grüner – und je näher wir der Küste kommen, sogar tropisch. Unser Backpackers Mantis and Moon stellt sich als noch viel, viel toller heraus, als gedacht. Wir schlafen in einem Stelzenhaus, das wirklich bis zum Boden aus Glas ist und trotzdem wegen der tropischen Bewachsung komplett uneinsichtig. Unser privates Bad verfügt über eine Badewanne und offenen Fenstern, durch die die feuchte Meeresluft hindurchströmt. Darüber hinaus gibt es viele Eckchen zum Lesen und Arbeiten, eine einladende Bar und ein Cafe, das auch Abendessen anbietet und mittendrin ein Pool mit Rutsche. Und das Beste: alles ist sauber. Sogar die Bettwäsche riecht leicht nach Räucherstäbchen. Im Backpackers ist nämlich auch ein Yogastudio untergebracht, das morgens und abends offene Kurse anbietet. Entsprechend liebevoll ist hier alles hergerichtet.
05.11.2019 Nach morgendlichen angetäuschtem Joggen am Strand und einer Yogastunde, fahren wir zum Shelly Beach in ein Einkaufszentrum und erkennen, wie nahe die Hibiskuscoast einem amerikanischen Kleinstadtidyll kommt. Nach der offensichtlichen Armut, der
Überweidung und der Trockenheit der Transkei, gefällt mir das geordnete, mehr kapitalistische Leben in KwaZuluNatal, einem früheren Homeland der Zulu gut – auch wenn es wieder klar ist, dass im Backpackers nur Schwarze putzen oder die Hütten instand halten, während sich die weiße Jugend um die wichtigen Dinge, die Bar, die Gäste und Yoga kümmern. Ich bemerke, wie selbstverständlich mir so eine Arbeitsaufteilung vorkommt, wie selbstverständlich auch mir eine solche Arbeitsaufteilung erscheint und dass ich das devote “Yes, Mam” oder “No, Madam” gar nicht mehr wahrnehme.
Wir flüchten aus dieser amerikanischen Idylle ins Skyline Nature Reserve, das eine
kostenlosen Wanderung durch viele heimische Bäume anbietet. Die tropischen Fülle unfängt uns, sodass wir uns gleich ein wieder vor den bösen Schlangen fürchten, denn die grüne und schwarze Mamba, sind hier heimisch.
06.11.2019 Umzumbe Backpackers. In unserem Glashaus werden wir von Meerkatzen, die sich durch das Bananendickicht kämpfen, geweckt. Unglaublich zu sehen, wie aggressiv diese putzigen Tierchen untereinander sind. Sonst wieder ein fauler Tag am Strand. Morgens Yoga, Nachmittags in der Sonne liegen, gemeinsam Hörbuch hören, Strandspaziergang und ein vorsichtiges Spiel mit den mächtigen Wellen. Danach im Backpackers in den Pool rutschen, sich frisch machen – sprich im Bett rumliegen und auf fünf Uhr warten bis die Bar eröffnet wird. Thomas ist schon fast ein bisschen gelangweilt, mir passt es gut, weil ich endlich mein Tagebuch nachtragen kann. Die Besitzer bieten ein Abendessen an – interessante Gespräche, z. B. wie sie das Ende der Apartheid erlebt haben. Damals standen die Nachbarn mit Gewehren auf den Dächern, um ihr Eigentum zu schützen. Sie waren sich sicher – ab jetzt wird zurückgeschossen.
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