
1.10.2019 Youth Solutions Africa ist eine Organisation, die der Theologe Pater John Philmon in Kapstadt ins Leben gerufen hat. Sein Ziel ist es, Menschen, die auf der Straße leben, wieder in die Gesellschaft, in die Familien zu integrieren. John Philmon, der selbst unter ärmlichsten Bedingungen aufgewachsen ist, setzt dabei vor allem auf (Weiter-)Bildung. Wissen ist der Weg aus der Armut, die den Grundstein für eine spätere Obdachlosigkeit legt.
Bildung: Bald wird er zwei Kindergärten in Townships errichtet haben. Dort sollen die Kinder neugierig auf Wissen werden, denn die Schulabbruchquote in den Townships ist sehr hoch. Auch er hatte einst die Schule verlassen, um möglichst früh arbeiten gehen zu können. Allerdings hat er später auf der Abendschule seinen Abschluss nachgeholt.
Bildung II: Youth Solutions Africa unterhält eine Suppenküche, damit die Kinder aus den Townships mittags eine warme Mahlzeit und die Gelegenheit zum Lernen und Sich-Aussprechen erhalten. Sozialarbeiter sind vor Ort und versuchen mit den Kindern und Jugendlichen, aber auch mit deren Vätern, Müttern, Großeltern ins Gespräch zu kommen. Sein Ziel ist es, sie davon zu überzeugen, Hilfe anzunehmen.
Bildung III: John Philmon hat eine Unterkunft für Obdachlose errichtet. Hier dürfen 75 Menschen so lange wohnen und lernen, bis sie ihr Leben wieder vollständig im Griff haben.
Um all diese Einrichtungen unterhalten zu können, ist Pater John Philmon natürlich auf Spenden angewiesen. Er kommt deshalb regelmäßig ins Gymnasium Kirchheim. Wir haben unsere Zeit in Kapstadt dazu genutzt, Pater Philmons Projekte zu besuchen:
Die Unterkunft wurde vor sechs Jahren gegründet. Er zeigt auf die vielen Zertifikate von Stadt, Steuerbehörden, Wasserversorgung und anderen, die beweisen, dass sein Projekt auch behördlich als Hilfsprojekt anerkannt ist.
“Wir sind sehr stolz, dass wir das geschafft haben”, freut er sich, obwohl die Zusammenarbeit mit den Behörden viel Zeit und Ressourcen frisst. Aber es ist wichtig, um auch auf politischer Ebene eine Bresche für die Ausgestoßenen der Gesellschaft zu brechen. Zum Beispiel habe das Stadtparlament von Kapstadt, das von der Democratic Alliance (DA), der Partei der Weißen dominiert ist, drastische Geldstrafen beschlossen, um die Obdachlosigkeit aus den Augen der Öffentlichkeit zu verdrängen. Wer diese Geldstrafen nicht zahlen kann, wandert ins Gefängnis. “Wir denken, das ist der falsche Weg” sagt John, deswegen beteiligen wir uns an den Demonstrationen gegen diese Regelung, die es den vielen Obdachlosen nur noch schwerer macht.

75 Betten hat der “shelter” (die Obdachlosenunterkunft), der unter einer Autobahnbrücke mitten im District 6 liegt, dem Teil im Herzen der Stadt, in dem vor der Politik der Apartheid die verschiedenen Bevölkerungsgruppen friedlich miteinander gelebt hatten.
John stellt uns den beiden Sozialarbeiterinnen vor, die angestellt sind, um zusammen mit den

Von links nach rechts: Jenny hat heute ihren ersten Tag, Monika ist auf den Tag drei Jahre dabei.
Obdachlosen deren vielfältige Probleme anzugehen. Jenny hat heute ihren ersten Tag und Monica ist auf den Tag schon drei Jahre dabei. Sie liebt ihre Arbeit mit den Ausgestoßenen der Gesellschaft. Sie führt uns durch die Unterkunft.
Wir dürfen Küche, Waschräume und Toiletten sehen und werden auch durch die fünf Schlafräume geführt. Es gibt zwei für Frauen und drei für Männer. Alles ist sehr einfach, aber praktisch eingerichtet. In den kleineren Räumen wirkt es sogar auch auf uns gemütlich. Nur im großen Schlafraum für 30 Männer möchte man nicht unbedingt länger bleiben müssen. Trotzdem ist alles sehr sauber und ordentlich aufgeräumt. Auf den Betten liegen Kuscheltiere – an den Wänden hängen freche Sprüche.
Wir treffen die Bewohner. Es sind Menschen zwischen 30 und 80. Alle Hautfarben sind vertreten. Pedro ein “Colored” (farbiger) Bewohner hat portugiesische Wurzeln und arbeitet am Computer. Ob es hier Internet gäbe frage ich. “Nein leider nicht”, nur gegenüber sei ein Cafe bei dem man gelegentlich online gehen könne. Pedro erzählt uns, dass er “visual computer design” studiert und er froh ist, mit Johns Hilfe, von den Drogen weggekommen zu sein. Er habe erkannt, die schädlichsten Worte seien “could have, should have, would have”.
“Drogen sind ein Riesenproblem” erzählt John später, als wir in sein Büro geführt werden. “Egal ob Alkohol, Marihuana oder Crystal Meth, sobald Drogen ins Spiel kommen, wird das Leben für die Menschen schwer. Aber es sind gerade die schweren Fälle, derer wir uns annehmen”, erzählt er weiter und seine Augen fangen an zu leuchten. “Immer wieder kam beispielsweise ein Mann, der 28 Jahre auf der Straße gelebt hat. Er wollte unsere Hilfe und wir haben ihn aufgenommen. Aber es war sehr schwer, da er gewohnt war, allein auf hartem Boden zu schlafen, mussten wir ihn erst langsam an eine Matratze und das Schlafen in dem Gemeinschaftsräumen mit Anderen gewöhnen.”
Das Essen bereiten die (Ex-)Bewohner des Shelters immer frisch zu Kindergarten im Township – alle voller Energie und Neugierde Uns wird ein Ständchen gebracht!
Dieses Eingehen auf die speziellen Bedürfnisse der Hilfesuchenden, sieht er als die Hauptaufgabe der Mitarbeiter im Shelter an. “Jeden Tag schreiben wir Berichte darüber, welche Ziele sich der Bewohner setzt und wie er dabei unterstützt werden kann. Manchmal geht es um Papiere, dann wieder um Arbeitssuche, um Entzug oder um Wiederannäherung an die Familie, oder einfach nur darum, ärztliche Hilfe anzunehmen und die Gesellschaft anderer Menschen ertragen zu können.
“Genau, so ist es” bestätigt John, “den großen Rest können wir nur über Spenden decken. Das Gymnasium Kirichheim gehört zu unseren zuverlässigsten Unterstützern, wir sind darüber sehr dankbar.” ergänzt er.
Wie sich die Unterkunft finanziere, fragen wir. “Die Regierung unterstützt uns mit 17 Rand pro Person pro Tag aber nur für 40 Leute” erzählt John, und fragt ob wir uns vorstellen können, wie viel das ist. Das wäre etwas mehr als ein Euro stellen wir schnell fest und da die Preise in Kapstadt fast auf europäischem Niveau liegen, kann man damit vielleicht ein Frühstück organisieren, aber nicht für 75 Bewohner.
Er sei doch Pastor, fragen wir. Welche Rolle spiele die Religion bei seiner Arbeit? “Bei unserer täglichen Arbeit hilft Religion nicht” antwortet er, leider gäbe es zu viele kirchliche Projekte, die auf Mitleid, nicht aber auf Hilfe zur Selbsthilfe aufgebaut seien. Deswegen habe er dieses Projekt außerhalb von institutionellen Geldgebern aufgebaut. “Sonntags gebe ich einen Gottesdienst mit Musik”, sagt er, diese Gottesdienste würden auch von seiner Familie und anderen Menschen aus der Umgebung besucht. Dafür feiere er den Gottesdienst, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, um deren Nöte und Anliegen zu verstehen und die Anliegen und Nöte seiner Schützlinge eine Öffentlichkeit zu geben.
“Instead giving people a fish, you should tell them how to catch fish”, sei ein chinesische Sprichwort, das ihn motiviere.
“Wie ist es denn mit der Musik?”, fragen wir, schließlich ist John im Gymnasium Kirchheim auch für seine musikalischen Auftritte bekannt. “Ich bin kein guter Musiker”, sagt er mit selbstkritischem Grinsen. “Aber es macht mir Spaß, mit Freunden zu singen. Am besten ist es, weil wir dadurch immer etwas für unsere Arbeit einnehmen.”
Zum Abschluss haben wir nur noch eine Frage: “Seit du deine Arbeit machst, hat sich in Afrika viel verändert. Zum Positiven, wie wir meinen. Was ist deine Meinung? Was macht Afrika stark?”
“Ja, es hat sich viel verändert, aber noch laufen viele Dinge nicht richtig. Was mich freut und ermutigt ist, dass die Menschen hier daran glauben, das Richtige zu tun. Man muss ‘consistent’ sein, die Dinge immer weiter voran treiben, damit sich etwas ändert … Wir brauchen dazu auch Vorbilder, Menschen die etwas bewegen und zu denen wir aufblicken können .” John spricht bewegt und seine Augen glänzen, als er uns zum Abschluss erzählt, wie er mit dem Einverständnis seiner Familie einen sicheren Beruf aufgegeben hat, um diese Organisation ins Leben zu rufen. “Als ich da im 15. Stock saß und auf die Straße blickte und einen kleinen Jungen betteln sah, da wusste ich, dass ich eine andere Arbeit brauche, dass ich dorthin auf die Straße gehöre, weil ich mich in ihm wiedererkannte.”